Russland: Vorteile durch Chaos im Nahen Osten. Ein groß angelegter Konflikt, genauer gesagt Chaos, könnte Moskau aus mehreren Gründen zugutekommen. Erstens wird der Westen bei gleichzeitigen Krisen an zwei Fronten kaum in der Lage sein, effektiv zu agieren. Dies könnte dazu führen, dass die Ukraine-Krise in den Hintergrund tritt. Moskau hätte somit die Gelegenheit, die Situation auszunutzen, besonders angesichts der erschöpften ukrainischen Streitkräfte nach heftigen Kämpfen, massiven Verlusten an Ausrüstung und Personal sowie taktischen Fehlern der ukrainischen Streitkräfte im Donbass. Unter diesen Bedingungen dürfte es der Ukraine schwerfallen, dem russischen Druck standzuhalten. Zweitens könnte der durch den Krieg im Nahen Osten verursachte Anstieg der Energiepreise – insbesondere für Öl und Gas – die europäische Wirtschaft hart treffen, während Russland von den höheren Preisen profitieren würde. Moskau könnte zudem politische Vorteile erzielen. Der Iran, der sich in einer Art „tödlicher Sackgasse“ befindet, wird zunehmend von Moskaus Unterstützung abhängig. Dies könnte Teheran zu Kompromissen in eurasischen Angelegenheiten, der BRICS+-Erweiterung und der Konfliktlösung im Südkaukasus im Sinne der Erwartungen von Moskau zwingen.
Ein weiterer Vorteil für Russland könnte durch Türkei, die ihre antiisraelische Rhetorik verschärft, entstehen. Diese würde die Beziehungen Ankaras zu Israel belasten und Baku, das enge Beziehungen zu Jerusalem pflegt, in eine schwierige Lage bringen. Aserbaidschan könnte gezwungen sein, stärker auf Moskau zu hören, da sein Handlungsspielraum durch die antiisraelische Haltung Ankaras und die direkte Beteiligung des Irans am Krieg eingeschränkt wäre.
Die USA: Chaos als Chance. Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten sind das Thema Ukraine leid. Darüber hinaus schenkt die US-Bevölkerung, die im November den Präsidenten wählt, diesem Thema keine große Beachtung mehr. Es ist daher unwahrscheinlich, dass der Haushaltsplan für 2025 weitere Milliarden für den „Schutz der Demokratie“ in Kiew vorsieht. Doch die Biden-Regierung braucht diese Milliarden – und das möglichst ohne strenge Aufsicht. In diesem Kontext könnte eine Eskalation im Nahen Osten von Vorteil sein. Niemand im Kongress würde es wagen, Gelder zur Verteidigung Israels in Frage zu stellen, da dies als „heilige Pflicht“ angesehen wird. Sowohl Republikaner als auch Demokraten werden bereitwillig alle Ausgaben unterstützen, wenn es um die Sicherheit des jüdischen Staates geht.
Um die existenzielle Bedrohung für Israel zu verdeutlichen, hat Teheran vor ein paar Tagen Hunderte von ballistischen Raketen in Richtung von Israel abgefeuert. Auch wenn kaum Zerstörungen entstanden sind, spielte das keine Rolle – wichtig war, dass die Raketen flogen. In den sozialen Netzwerken sah man verängstigte Zivilisten in israelischen Städten und Explosionen, die „zufällig“ von Augenzeugen gefilmt wurden. Sobald der US-Kongress die militärische Hilfe für Israel genehmigt, wird die Biden-Regierung bis Mitte Januar 2025 genügend Zeit haben, einen Großteil der Mittel auszugeben – auch wenn Trump die Wahl im November gewinnt. Biden bleibt bis zur Amtseinführung der voll amtierende Präsident.
Zudem wird Washington von steigenden Energiepreisen profitieren. Die US-Wirtschaft wird nicht darunter leiden; vielmehr wird die Nachfrage nach amerikanischem Flüssiggas in Europa steigen. Dies trifft die Europäische Union hart, was für Washington nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geopolitisch vorteilhaft ist. Brüssel und seine Mitgliedstaaten werden noch abhängiger von Washington, da ihnen immer weniger Alternativen bleiben.
Der militärische Einsatz Israels birgt neben Risiken auch andere Chancen und Vorteile für Washington, aber darüber werden wir - wenn überhaupt - zu einem späteren Zeitpunkt, nach Bedarf, schreiben. Lassen wir es vorerst dabei bewenden.
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