Die Sicherheitslage im Südkaukasus nach dem Krieg von 2020 Schwerpunkt: Armenien und Berg-Karabach

Der Ausgang der 44 Tage dauernden Waffengänge um Berg-Karabach 2020 veränderte das seit 1994 bestehende Gleichgewicht zwischen Armenien und Aserbaidschan und damit den Status quo im Südkaukasus. Besonders entsetzlich war es für den armenischen Staat, dessen Verteidigungssystem sehr schmerzhafte Verluste erzielen müsste. Die armenische Nation, die 1991 ihre Unabhängigkeit erreicht hatte, büßte durch diese Niederlage ihre Vision für die politische Zukunft des eigenen Landes ein.  Allein der Kriegsausbruch zeigte wiederum, dass der für die Friedenssicherung kompetente UN-Sicherheitsrat nicht fähig war, effizient zu reagieren. Drei Versuche der Ko-Vorsitzenden der OSZE Minsk-Gruppe die Waffenruhe zu schaffen, scheiterten. Vor der kompletten Eroberung von Berg-Karabach rettete das von Russland vermittelte Abkommen vom 9. November 2020, mit dem eine ca. 2.000 Mann starke russischen Friedensmission in der Region eingesetzt wurde. Ferner verstärkte der Krieg den türkischen Einfluss im Südkaukasus. Wie geht es nun für den armenischen Staat und im Blick auf die friedliche Beilegung des Konfliktes weiter? Wofür engagieren sich die externen Akteure und welche Herausforderungen für die Wiederherstellung eigener Sicherheit sind von Jerewan und Stepanakert noch zu bewältigen?

Analyse: Armenisch-russische Beziehungen: Geschichte, Realität und Beweggründe der beiden Partner

Fast 300 Verträge und Abkommen wurden von Armenien und Russland in ihrer langen gemeinsamen Geschichte geschlossen. Worauf basiert ihre enge Beziehung? Inwieweit profitieren sie voneinander? Und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der beiden Staaten?

Zusammenfassung

Die armenisch-russischen Beziehungen basieren vor allem auf historisch bedingten, für Russland geostrategischen und für Armenien existentiellen Interessen und werden im 21. Jahrhundert als strategisch-partnerschaftlich bezeichnet. Die geopolitischen Ziele des als Weltmacht agierenden Russland stimmen mit den Zielen der armenischen Nation nicht immer überein. Trotzdem bleiben die beiden Hauptstädte Moskau und Jerewan eng miteinander verbunden. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Retrospektive

Die Geschichte der armenisch-russischen Beziehungen reicht Jahrhunderte zurück. Das historische Ostarmenien, dessen Gebiet sich zum Teil mit dem der heutigen Republik Armenien deckt, wurde 1828 Teil des Russischen Reiches.

Möglichkeiten und Hindernisse von Versöhnung am Beispiel Berg-Karabach

Zusammenfassung

Zu den nahezu vergessenen Konflikten am Rande Europas zählt die Auseinandersetzung um Berg-Karabach. Trotz vielfältiger Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, die der folgende Beitrag nachzeichnet, ist eine dauerhafte Lösung nicht in Sicht, wobei deutlich wird, dass manche Strategien eher zur Verschärfung als zur Entspannung der Lage beitragen. Die aktuelle Lage sollte die Vermittler zur Gestaltung der Verhandlungen mit noch stärkerem Engagement bewegen.

Einführung

Der Konflikt um Berg-Karabach gehört zu den am längsten andauernden Konflikten im gesamten OSZE-Raum1 und zu den verlustreichsten im postsowjetischen Raum. Dieser Konflikt geht bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs zurück, war in der Sowjetzeit buchstäblich „eingefroren“ und flammte nach dem Zerfall der Sowjetunion erneut auf. Heute begleiten der Konflikt und dessen Folgen die Republiken Armenien und Aserbaidschan auf ihrem Weg in die neue Ära der unabhängigen Existenz. Im Mittelpunkt des Konfliktes steht die völkerrechtlich nicht anerkannte Republik Berg-Karabach.

Kommentar: Die armenisch-russischen Beziehungen. Ein Überblick aus armenischer Sicht

Die russisch-armenischen Beziehungen sind vielfältig und komplex, und sie beschränken sich nicht auf einen Schwerpunkt. Russland und Armenien vertreten bei vielen außenpolitischen Angelegenheiten verschiedene Positionen, beide Länder bezeichnen sich jedoch konstant gegenseitig als strategische Partner.

Retrospektive

Um die armenisch-russische Beziehungen vollständig zu verstehen und für die kurz- bzw. mittelfristige Zukunft die zu erwartenden Entwicklungsmöglichkeiten im Vorfeld einschätzen zu können, ist eine zusammenfassende Betrachtung dessen erforderlich, was Armenien für Russland und was Russland für Armenien bedeutet, wie die zwei Länder einander wahrnehmen, und wie sie sich dem anderen gegenüber positionieren.

Russland versteht sich als alte Zivilisation, die durch ihren Einfluss die Gestaltung Europas sowie Asien prägte und prägt. Armenien dagegen ist eine äußerst alte Zivilisation: Es bestand bereits zu Zeiten, als es weder europäische Staaten, noch gar die Kiewer Rus gab. Armenien nahm fast 700 Jahre vor Russland das Christentum an, armenische Staatlichkeit und Kultur erfuhren bereits eine Blüte, als auf dem Gebiet des heutigen Russland noch Nomadenvölker lebten. In heutiger Zeit aber erstreckt sich die Russische Föderation über ein Territorium, das 570 Mal größer ist, als das Armeniens. In Russland leben derzeit 50 Mal mehr Menschen als im kleinen Armenien. Die Republik Armenien proklamierte ihre Unabhängigkeit im Jahre 1991, die Russische Föderation versteht sich als Nachfolger der zerfallenen UdSSR.